Die Camera war in den 1950er Jahren mal ein Fürther Kino und wenig später, in den 60ern, das, was man damals einen Beatschuppen nannte

Über Fo­to­gra­fie

Ich bin seit 1990 Be­rufs­fo­to­graf. Seit­her ha­be ich mich als Thea­ter­fo­to­graf, in der Wer­bung und an Por­traits ver­sucht. In­zwi­schen ar­bei­te ich wie­der eher jour­na­lis­tisch – mei­ne Tä­tig­keit für den BW-Ver­lag ist Re­por­ta­ge­fo­to­gra­fie in ei­nem ganz klas­si­schen Sin­ne. Ei­ni­ge Din­ge ha­ben sich seit­dem ver­än­dert, be­stimm­te Vor­aus­set­zun­gen bzw. Her­an­ge­hens­wei­sen blie­ben in­des gleich.

Bild im Kopf

Fo­to­gra­fie­ren be­ginnt mit ei­nem Bild im Kopf – schon be­vor ich die Ka­me­ra in die Hand neh­me, soll­te ich mir dar­über im Kla­ren sein, wel­ches Bild ich ma­chen will. Man könn­te ein­wen­den, dass ge­ra­de bei der Stra­ßen- und/oder Re­por­ta­ge­fo­to­gra­fie eher auf Bil­der ge­war­tet wird, man sich qua­si über­ra­schen lässt – das ist aber nur zum Teil rich­tig. Auch hier sieht der Fo­to­graf erst die Sze­ne, das Bild im Kopf ent­steht und mit der „Krü­cke Ka­me­ra“ ver­sucht er es um­zu­set­zen (idea­ler­wei­se ei­ni­ger­ma­ßen schnell und in­tui­tiv).

Bild vom Kopf - bei der sog. Streetphotography wartet der Fotograf auch mal auf ein Bild

Bild vom Kopf – bei der sog. Street­photo­gra­phy war­tet der Fo­to­graf auch mal auf ein Bild


“Sta­re. It is the way to edu­ca­te your eye, and mo­re. Sta­re, pry, lis­ten, ea­ves­drop. Die kno­wing so­me­thing. You are not he­re long.” Wal­ker Evans

Auf­tritt des Fo­to­gra­fen

Der Fo­to­graf in­ter­agiert na­tür­lich mit sei­ner Um­ge­bung, ob er nun möch­te oder nicht. Sein Auf­tritt er­folgt auch mit­tels Kenn­zeich­nung durch sei­ne Werk­zeu­ge: Be­leuch­tung, Ka­me­ras, Sta­ti­ve und an­de­re Hilfs­mit­tel wer­den ver­wen­det, un­ab­hän­gig da­von, ob es sich um ana­lo­ge oder di­gi­ta­le Fo­to­gra­fie han­delt. We­ni­ger ist hier ein­deu­tig mehr – will er z.B. je­man­den por­trai­tie­ren, er­weist es sich als we­nig nütz­lich, wenn er da­bei stän­dig mit tech­ni­schen Ge­rä­ten han­tie­ren muss und de­ren Be­die­nung mehr Auf­merk­sam­keit wid­met, als dem Ge­gen­über. Das Op­fer sol­cher Be­mü­hun­gen ist üb­ri­gens auch nicht be­son­ders glück­lich, wenn der Fo­to­graf an­dau­ernd ei­nen rie­si­gen, schwar­zen Kas­ten vor sein Ge­sicht hält. So kann kaum In­ter­ak­ti­on zwi­schen Mo­del und Licht­bild­ner statt­fin­den. Ein nicht zu un­ter­schät­zen­der Fak­tor, der ein­deu­tig für die klei­ne Su­cher­ka­me­ra statt der di­cken Spie­gel­re­flex spricht. Es sei denn, der Fo­to­graf möch­te sich ger­ne ver­ste­cken – dann sind aber Por­traits oh­ne­hin nicht das rich­ti­ge Be­tä­ti­gungs­feld (Schmet­ter­lin­ge und Blüm­chen wä­ren ge­eig­ne­ter).
Von der Aus­rüs­tung ab­ge­se­hen, tritt der Fo­to­graf auch als Per­son zu­min­dest am Ran­de der Sze­ne auf. Das tut er in ei­ner gro­ßen Band­brei­te zwi­schen stil­lem Be­ob­ach­ter und „hier bin ich, zeig mir was Baby!“-Attitüde. Zwi­schen Be­trach­tung und In­sze­nie­rung. Er­stre­bens­wert (aus der Sicht mei­ner jet­zi­gen Tä­tig­keit) scheint mir hier ein Mit­tel­weg: Man soll zwar als Fo­to­graf in Er­schei­nung tre­ten, an­sons­ten aber mög­lichst we­nig Ein­fluss auf das Ge­sche­hen neh­men. Idea­ler­wei­se ver­ges­sen die fo­to­gra­fier­ten Per­so­nen, dass ein Fo­to­graf an­we­send ist (mir ist völ­lig klar, dass das in un­ter­schied­li­chen fo­to­gra­fi­schen Gen­res un­ter­schied­lich ge­hand­habt wer­den muss…).

(Mess)Sucherkameras haben u.a. den Vorteil, dass Fotografen nicht völlig hinter ihnen verschwinden...

(Mess)Sucherkameras ha­ben u.a. den Vor­teil, dass Fo­to­gra­fen nicht völ­lig hin­ter ih­nen ver­schwin­den...



“The best Ca­me­ra is the one that’s wi­th you!” Cha­se Jar­vis

Ein star­kes Ar­gu­ment für das Mo­bil­te­le­fon als Ka­me­ra (das Jar­vis für das gleich­na­mi­ge Buch ver­wen­de­te) – klein, un­auf­fäl­lig, im­mer da­bei…
Was da­ge­gen spricht, sind die arg be­grenz­ten Mög­lich­kei­ten der Ein­fluss­nah­me des Fo­to­gra­fen. Von der Mo­tiv­wahl mal ab­ge­se­hen, blei­ben kaum fo­to­gra­fi­sche Mit­tel, um die Auf­nah­me zu ge­stal­ten. Wäh­rend die tech­ni­sche Qua­li­tät der Te­le­fon­fo­tos in­zwi­schen im­mer bes­ser wird, bleibt es, die Ge­stal­tung be­tref­fend, doch ein sehr tech­ni­sches Bild, eben ei­nes, das von der ein­ge­bau­ten Soft­ware des Te­le­fons vor­ge­ge­ben ist.

Fo­to­gra­fie­ren

Was den ei­gent­li­chen Vor­gang des Fo­to­gra­fie­rens be­trifft, blei­ben uns nicht so wahn­sin­nig vie­le Mög­lich­kei­ten, Ein­fluss auf das End­pro­dukt zu neh­men. Ver­ein­facht auf­ge­zählt sind das Mo­tiv­wahl (auch die Be­stim­mung von Stand­punkt, Per­spek­ti­ve und Brenn­wei­te), Licht (ja, es exis­tiert ein Un­ter­schied zwi­schen Be­leuch­tung und Be­lich­tung) und Schär­fe. Durch mehr oder we­ni­ger vir­tuo­sen Um­gang mit die­sen Fak­to­ren und ih­re Kom­bi­na­ti­on ge­stal­ten wir Fo­to­gra­fien.

Die Mo­tiv­wahl ist qua­si ei­ne Art In­halts­be­stim­mung des Bil­des. Wir dür­fen wohl da­von aus­ge­hen, dass man weiß, was ge­nau man fo­to­gra­fie­ren möch­te. Klingt ein­fach, ist es aber nicht. Eng da­mit ver­knüpft ist z.B. die Wahl ei­nes pas­sen­den Bild­aus­schnitts, wie viel Platz las­se ich um das ge­wähl­te Mo­tiv und wo? In wel­cher Rich­tung fin­det Ak­ti­on statt? Da­zu braucht es auch kein Zoom­ob­jek­tiv mit mög­lichst gro­ßem Brenn­wei­ten­be­reich – wir ha­ben Bei­ne… Au­to­ma­ti­ken und sog. Meß­fel­der in mo­der­nen Ka­me­ras ver­lei­ten den Fo­to­gra­fen ger­ne, ver­meint­lich Wich­ti­ges in der Bild­mit­te zu plat­zie­ren – das ist nicht im­mer rich­tig, meis­tens so­gar ziem­lich lang­wei­lig. Fo­to­gra­fie­ren be­deu­tet ei­gent­lich im­mer ei­ne re­la­tiv klei­ne Flä­che (Ka­me­ra­sen­sor oder fo­to­gra­fi­scher Film) zu ge­stal­ten. Das kann man tun, in­dem man Struk­tu­ren und For­men an­ord­net, mit Flä­chen kom­bi­niert, in­dem man Din­ge weg­lässt oder an­schnei­det, Li­ni­en be­tont oder Be­gren­zun­gen auf­löst. Das ist ein wei­tes Feld (!) und hier sei bei­spiel­haft auf Jo­han­nes It­tens „Ge­stal­tungs- und For­men­leh­re“ ver­wie­sen, die auf den von ihm ge­lei­te­ten Vor­kurs am Bau­haus zu­rück­geht (Mein Vor­kurs am Bau­haus, Ge­stal­tungs- und For­men­leh­re. Ot­to Mai­er, Ra­vens­burg 1963 (Nach­auf­la­gen)). Es geht um Kon­tras­te, Far­ben­leh­re, um For­men, Rhyth­mus, Ma­te­ria­li­en und Tex­tu­ren. Fo­to­gra­fie­ren ist dies­be­züg­lich, wie je­des an­de­re zwei­di­men­sio­na­le Ge­stal­ten, das An­ord­nen die­ser Fak­to­ren auf ei­ner be­grenz­ten Flä­che. Die­se Ge­stal­tungs­grund­la­gen ha­ben sich auch in den fast 100 Jah­ren seit dem Bau­haus nicht ge­än­dert und der an­ge­hen­de Fo­to­graf soll­te sie be­herr­schen, be­wusst ein­set­zen und üb­ri­gens ge­le­gent­lich auch be­wusst miss­ach­ten.

Bildaufteilung, Kombination von Linien und Flächen - vielleicht nicht perfekt, aber allemal besser als Baum oder Horizontlinie in der Bildmitte...

Bild­auf­tei­lung, Kom­bi­na­ti­on von Li­ni­en und Flä­chen – viel­leicht nicht per­fekt, aber al­le­mal bes­ser als Baum oder Ho­ri­zont­li­nie in der Bild­mit­te...


Der tech­ni­sche Hin­ter­grund ana­lo­ger wie di­gi­ta­ler Fo­to­gra­fie ist die Wir­kung von Licht auf ei­nen be­stimm­ten Emp­fän­ger: Ei­ne licht­emp­find­li­che fo­to­gra­fi­sche Schicht oder ei­nen licht­emp­find­li­chen Sen­sor. Wenn sich das in ei­ner Ka­me­ra mit Ob­jek­tiv ab­spielt, ha­ben wir ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten, auf die Men­ge des Lichts, die dort an­kommt Ein­fluss zu neh­men. Wir kön­nen uns die­ser Mög­lich­kei­ten be­wusst wer­den oder dies ei­ner im­mer aus­ge­feil­te­ren Ka­me­ra­tech­nik über­las­sen. Tun wir letz­te­res, muss uns aber klar sein, dass nicht wir es sind, die das Bild ge­stal­ten, son­dern eben die Au­to­ma­tik, die ein Her­stel­ler ei­ner Ka­me­ra (oder in­zwi­schen der Pro­gram­mie­rer ei­ner Ka­me­ra­soft­ware) sich aus­ge­dacht hat. Wer sich mit die­sem The­ma auf ei­ner eher phi­lo­so­phi­schen, bzw. me­di­en­theo­re­ti­schen Ebe­ne aus­ein­an­der­set­zen möch­te, der kann bei Vilém Flus­ser und sei­nen Schrif­ten »Ins Uni­ver­sum der tech­ni­schen Bil­der« oder »Für ei­ne Phi­lo­so­phie der Fo­to­gra­fie« wei­ter le­sen.

Au­to­ma­ti­ken in Fo­to­ap­pa­ra­ten hat­ten ih­re ers­te Blü­te­zeit in den 1980er Jah­ren des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts – ver­gli­chen mit der fast 200jährigen Ge­schich­te der Fo­to­gra­fie al­so ein kur­zer Zeit­raum.

Gezielte und starke Überbelichtung vermittelt hier einen völlig anderen Bildeindruck, als jenen, den die vermeintlich richtige und ausgewogene Belichtung der Automatik einer Kamera erzeugen würde

Ge­ziel­te und star­ke Über­be­lich­tung ver­mit­telt hier ei­nen völ­lig an­de­ren Bild­ein­druck, als je­nen, den die ver­meint­lich rich­ti­ge und aus­ge­wo­ge­ne Be­lich­tung der Au­to­ma­tik ei­ner Ka­me­ra er­zeu­gen wür­de


Zu­rück zur Licht­men­ge: Im We­sent­li­chen sind es drei Pa­ra­me­ter, die die Men­ge an Licht – al­so die Be­lich­tung be­stim­men – die un­ser Bild zeich­net:

Da wä­re zu­nächst die Emp­find­lich­keit. Wäh­rend man zu ana­lo­gen Zei­ten zwi­schen ver­schie­den emp­find­li­chen Film­emul­sio­nen wäh­len konn­te (bzw. muss­te), kön­nen wir heut­zu­ta­ge die Emp­find­lich­keit des Sen­sors un­se­rer Di­gi­tal­ka­me­ra ein­stel­len (der Sen­sor hat ei­gent­lich nur ei­ne be­stimm­te Grund­emp­find­lich­keit, die bei Be­darf elek­tro­nisch ver­stärkt wird). Die gän­gigs­ten Ein­hei­ten zur An­ga­be die­ser Emp­find­lich­keit sind DIN, ASA und, bis heu­te ge­bräuch­lich, ISO. „Nor­mal“ sind Wer­te um ISO 100/21° oder 200/24°, klei­ne­re Wer­te gel­ten als nied­rig­emp­find­lich, hö­he­re ab 800/30° (heut­zu­ta­ge bis über 12500/42°) als hoch­emp­find­lich. Schon zu ana­lo­gen Zei­ten wur­de ei­ne hö­he­re Film­emp­find­lich­keit durch ver­mehr­tes Rau­schen „er­kauft“ – da­mals nann­te man das Film­korn oder Kör­nig­keit. Das Rau­schen von Sen­so­ren sieht zwar nicht ganz so aus, auch hier lässt sich aber fest­stel­len, je hö­her die Emp­find­lich­keit, des­to mehr Bild­rau­schen (wie bei Film auch gibt es in der Di­gi­tal­fo­to­gra­fie noch ei­ni­ge an­de­re Fak­to­ren, wie z.B. Pi­xel­grö­ße und Ab­stand der Pi­xel, die Ein­fluss auf das Rau­schen ha­ben). Der Fo­to­graf ist da­her da­mals wie heu­te be­müht, über­mä­ßi­ges Bild­rau­schen durch mög­lichst nied­ri­ge Emp­find­lich­keit zu ver­mei­den. Lei­der be­sit­zen die meis­ten mo­der­nen Di­gi­tal­ka­me­ras auch für die­se Ein­stel­lung ei­ne ent­spre­chen­de Au­to­ma­tik und ver­hin­dern so ein­mal mehr das selbst­be­stimm­te Han­deln des Fo­to­gra­fen.

Dynamik und Bewegung durch eine mitgezogene Kamera und eine entsprechend längere Belichtungszeit

Dy­na­mik und Be­we­gung durch ei­ne mit­ge­zo­ge­ne Ka­me­ra und ei­ne ent­spre­chend län­ge­re Be­lich­tungs­zeit


Au­ßer­dem hat die ein­ge­stell­te Be­lich­tungs­zeit Ein­fluss auf die Be­lich­tung (die­se Ein­stel­lung war im 20. Jahr­hun­dert ei­nes der ers­ten „Op­fer“ ka­me­rain­ter­ner Au­to­ma­tik). Ge­meint ist da­mit i.d.R. die Zeit, die ein Ver­schluss (vor Film oder Sen­sor, ge­le­gent­lich auch im Ob­jek­tiv an­ge­bracht) ge­öff­net wird, um Licht hin­durch zu las­sen. Die häu­figs­ten Ver­schluss­zei­ten lie­gen bei Bruch­tei­len von Se­kun­den. Ei­ne zu lan­ge Zeit führt da­zu, dass Be­we­gung, die in der fo­to­gra­fier­ten Sze­ne statt­fin­det ver­wischt dar­ge­stellt wird – das kann man auch nut­zen, um eben je­ne Be­we­gung im Bild dar­zu­stel­len. Aber ob­acht: Sehr viel häu­fi­ger sieht man die Be­we­gung des Fo­to­gra­fen. Ei­ne lan­ge Be­lich­tungs­zeit führt ger­ne zu ver­wa­ckel­ten Bil­dern, wenn die Ka­me­ra nicht auf ei­nem Sta­tiv stand. Ei­ne Faust­re­gel aus ana­lo­gen Zei­ten be­sagt, dass die Zeit längs­tens 1 Se­kun­de ge­teilt durch die auf­ge­run­de­te, ver­wen­de­te Brenn­wei­te in mm sein soll­te, da­mit das Bild aus der Hand fo­to­gra­fiert nicht ver­wa­ckelt (weil kurz­brenn­wei­ti­ge Ob­jek­ti­ve meis­tens leich­ter sind als lan­ge Te­les und in eher weit­wink­li­gen Auf­nah­men klei­ne Be­we­gun­gen ei­ne ge­rin­ge­re Rol­le spie­len – z.B. soll­te man al­so mit ei­nem 50mm Ob­jek­tiv ei­ne Be­lich­tungs­zeit von 1:50, ge­run­det auf ei­ne brauch­ba­re Ver­schluss­zeit al­so 1/60 Se­kun­de ver­wen­den). Die Zeit hat al­so nicht nur Ein­fluss auf die Be­lich­tung, son­dern auch dar­auf, wie scharf un­ser End­ergeb­nis er­scheint.

Eben­so ver­hält es sich mit der Blen­de. Die Blen­de ist nicht das Teil, das man zum Schutz vor Ge­gen­licht vor das Ob­jek­tiv schraubt oder steckt (die sog. Ge­gen­licht­blen­de), son­dern be­zeich­net ei­ne me­cha­nisch ver­stell­ba­re Öff­nung im Ob­jek­tiv (sel­ten, bei sehr al­ten Ob­jek­ti­ven, auch da­vor). Die Grö­ße die­ser Öff­nung be­grenzt ei­ner­seits die Men­ge an Licht, die zum licht­emp­find­li­chen Teil des Auf­nah­me­sys­tems ge­langt. An­de­rer­seits be­stim­men wir da­mit auch die Schär­fen­tie­fe im Bild. Die Grö­ße die­ser Öff­nung wird mit der fol­gen­den log­arith­mi­schen Zah­len­rei­he an­ge­ge­ben: 1.4, 2.0, 2.8, 4, 5.6, 8, 11, 16, 22, 32, 64 – ei­gent­lich 1:1.4, 1:2, 1:2.8 usw., weil es sich um das Ver­hält­nis der Grö­ße die­ser Öff­nung zur Brenn­wei­te des Ob­jek­tivs han­delt. Je klei­ner die Zahl, des­to grö­ßer die Öff­nung (hej – ich hab´ mir das nicht aus­ge­dacht). Der Zahl wird meis­tens noch ein „f“ oder „F“ vor­an­ge­stellt (»F« steht da­bei für »Fo­cal Length«, al­so Brenn­wei­te – die Kor­rek­te Schreib­wei­se für Blen­de 2.8 wä­re al­so »F zu 2,8«, der Ein­fach­heit hal­ber »F 2.8«). Je grö­ßer die Öff­nung, des­to mehr Licht. Je klei­ner die Öff­nung, des­to we­ni­ger Licht und des­to grö­ßer die Schär­fen­tie­fe. Na­ja, fast – ab ei­ner be­stimm­ten Gren­ze (kri­ti­sche Blen­de) neh­men näm­lich be­stimm­te Ab­bil­dungs­feh­ler (Beu­gung, Ab­erra­ti­on) zu, wes­halb es vor al­lem bei klei­nen Di­gi­tal­ka­me­ras nicht zu emp­feh­len ist, bis Blen­de 8 oder noch wei­ter ab­zu­blen­den. Ein brauch­ba­res Ob­jek­tiv vor­aus­ge­setzt, emp­fiehlt es sich oh­ne­hin (je nach Mo­tiv und be­ab­sich­tig­ter Bild­wir­kung) mit mög­lichst of­fe­ner Blen­de zu fo­to­gra­fie­ren und durch die dar­aus re­sul­tie­ren­de ge­rin­ge Schär­fen­tie­fe den Blick des Be­trach­ters zu len­ken.

Bei einem klassischen Portrait stellt man auf die Augen scharf (hier wurde der Effekt durch verschwenken der Objektivstandarte einer Laufbodenkamera noch verstärkt)

Bei ei­nem klas­si­schen Por­trait stellt man auf die Au­gen scharf (hier wur­de der Ef­fekt durch ver­schwen­ken der Ob­jek­tiv­stan­dar­te ei­ner Lauf­bo­den­ka­me­ra noch ver­stärkt)


Durch die Kom­bi­na­ti­on von Emp­find­lich­keit, Be­lich­tungs­zeit und Blen­de neh­men wir al­so Ein­fluss auf die Hel­lig­keit des ent­ste­hen­den Bil­des (so­fern wir das nicht ei­nem Pro­gramm über­las­sen) und zum Teil auch auf das Vor­han­den­sein, bzw. die Ver­tei­lung von Schär­fe im Bild.

„Schär­fe ist ein bour­geoi­ses Kon­zept“ Hen­ri Car­tier-Bres­son

…trotz­dem soll­te man beim Fo­to­gra­fie­ren den ei­nen oder an­de­ren Ge­dan­ken an sie ver­schwen­den, vor al­lem in Zei­ten, in de­nen al­ler­or­ten von Bo­keh (ei­ne Be­zeich­nung für die Dar­stel­lungs­cha­rak­te­ris­tik von un­schar­fen Be­rei­chen im Bild, bzw. den Über­gän­gen von Schär­fe zu Un­schär­fe) ge­spro­chen wird. Schär­fen­tie­fe heißt üb­ri­gens nicht, dass in ei­nem be­stimm­ten Be­reich al­les scharf ab­ge­bil­det wird. Die Ge­set­ze der Op­tik wol­len es so, dass im­mer nur ein Punkt, bzw. ei­ne Ebe­ne vor dem Ob­jek­tiv scharf ab­ge­bil­det wer­den kann – mit „Schär­fen­tie­fe“ be­zeich­net man le­dig­lich den Be­reich, der nur so we­nig un­scharf ist, dass es (fast) kei­ner merkt. Die Schär­fe ist dann auch die letz­te Ein­stel­lung (die Rei­hen­fol­ge darf na­tür­lich je­der selbst wäh­len) die wir vor­neh­men, be­vor wir end­lich den Aus­lö­ser drü­cken. An die­ser Stel­le muss ich zu­ge­ben, dass das die­je­ni­ge Ka­me­ra­au­to­ma­tik ist, die ich tat­säch­lich oft ver­wen­de. Mei­ne zu­neh­men­de Fehl­sich­tig­keit führt da­zu, dass ich den Au­to­fo­kus dem „out of fo­cus“ vor­zie­he. Na­tür­lich ver­su­che ich aber, Herr über die Ent­schei­dung zu blei­ben, was im Bild scharf wer­den soll und was nicht.

„Die Tat­sa­che, dass ei­ne tech­nisch feh­ler­haf­te Fo­to­gra­fie ge­fühls­mä­ßig wirk­sa­mer sein kann als ein tech­nisch feh­ler­lo­ses Bild wird auf je­ne scho­ckie­rend wir­ken, die glau­ben, dass tech­ni­sche Per­fek­ti­on den wah­ren Wert ei­nes Fo­tos aus­macht.“ An­dre­as Fei­nin­ger

Das gu­te Bild

Die Fra­ge, was denn ei­gent­lich ein „gu­tes Bild“ aus­ma­che, ist ei­ne, die im Rah­men mei­ner Ar­beit häu­fig ge­stellt wird und ei­ne, die schwer zu be­ant­wor­ten ist… Laut Hen­ri Car­tier-Bres­son (viel­leicht der größ­te Stra­ßen- und Re­por­ta­ge­fo­to­graf al­ler Zei­ten) ist ein gu­tes Fo­to ei­nes, auf das man län­ger als ei­ne Se­kun­de schaut. Bei der Bil­der­flut, mit der wir seit der Di­gi­ta­li­sie­rung der Fo­to­gra­fie le­ben, ei­gent­lich ein gu­tes Kri­te­ri­um – ei­ne Se­kun­de ist da ziem­lich lang. An­sons­ten ist die Ant­wort na­tür­lich eben­so sub­jek­tiv, wie es die Be­ur­tei­lung fo­to­gra­fi­scher Qua­li­tät nun mal auch ist. Et­was kon­kre­ter wird An­dre­as Fei­nin­ger (1906 ‑1999, Bau­haus-Schü­ler, Fo­to­graf und Sohn des Ma­lers Lyo­nel Fei­nin­ger). Er hat ei­ni­ge be­deu­ten­de Lehr­bü­cher vor al­lem zu tech­ni­schen Aspek­ten der Fo­to­gra­fie ver­öf­fent­licht.
Ein Klas­si­ker, un­be­dingt emp­feh­lens­wert und nicht all­zu teu­er ist „An­dre­as Fei­nin­gers Gro­ße Fo­to­leh­re, Hey­ne Ver­lag Mün­chen 2001 ISBN 3–453-17975–7“). Dar­in de­fi­niert er vier Grund­ei­gen­schaf­ten, über die ein gu­tes Bild ver­fü­gen soll­te:
- Auf­merk­sam­keit er­re­gen
– Ab­sicht und Sinn of­fen­ba­ren
– ge­fühls­mä­ßig wir­ken
– gra­fi­sche Ge­stal­tung be­sit­zen

An die­ser ein­leuch­ten­den De­fi­ni­ti­on fal­len zwei Din­ge auf: ers­tens ist es dies­be­züg­lich nicht nö­tig, zwi­schen Fo­to­gra­fie, Gra­fik oder Ma­le­rei zu un­ter­schei­den und zwei­tens kommt ein An­spruch an die tech­ni­sche Qua­li­tät von Fo­tos gar nicht vor. Von den o.g. An­for­de­run­gen an ein gu­tes Bild hal­te ich per­sön­lich den zwei­ten Punkt für den ent­schei­den­den: Ein gu­tes Bild muss Ab­sicht und Sinn of­fen­ba­ren. Als Be­trach­ter möch­te ich se­hen, dass der Fo­to­graf ein Bild ab­sicht­lich ge­macht hat, ich möch­te zu­min­dest ei­ne Ah­nung da­von be­kom­men, was der Fo­to­graf sich da­bei ge­dacht hat. Im Um­kehr­schluss heißt das, dass ziem­lich vie­le der Bil­der, die stän­dig auf uns ein­pras­seln (auch in mei­nem be­ruf­li­chen Um­feld) und den Ein­druck ma­chen, sie wä­ren mehr oder we­ni­ger zu­fäl­lig ent­stan­den, eben auch kei­ne gu­ten Bil­der sind. Ich wür­de ger­ne die Idee se­hen, die der Fo­to­graf oder die Fo­to­gra­fin hat­te, be­vor er oder sie ein Bild ge­macht hat.

Aus­ar­bei­tung

In den sel­tens­ten Fäl­len kommt das Bild so aus der Ka­me­ra, wie wir uns das vor­her ge­dacht ha­ben. Schon zu ana­lo­gen Zei­ten muss­te man für ein Bild min­des­tens ge­nau so viel Zeit im La­bor ver­brin­gen wie hin­ter der Ka­me­ra (meis­tens deut­lich län­ger). Nur der Um­stand, dass wir jetzt auf ei­nen Sen­sor fo­to­gra­fie­ren und nicht auf Film oder Pa­pier, än­dert dar­an zu­nächst nichts.
Aus der Dun­kel­kam­mer ist ein­fach nur ein Schreib­tisch mit Rech­ner ge­wor­den. Ei­ne sorg­fäl­ti­ge „Ent­wick­lung“ (der Raw-Da­tei­en) und evtl. auch ent­spre­chen­de Nach­be­ar­bei­tung ist für mich un­ab­ding­bar.

Aufnahme mit einer Leica M3, einer Kamera ohne jede Automatik (die hat nicht mal einen Belichtungsmesser), fotografiert auf hochempfindlichen SW-Film (ISO 3200) und ausgearbeitet auf 40 x 60cm großes Barytpapier

Auf­nah­me mit ei­ner Lei­ca M3, ei­ner Ka­me­ra oh­ne je­de Au­to­ma­tik (die hat nicht mal ei­nen Be­lich­tungs­mes­ser), fo­to­gra­fiert auf hoch­emp­find­li­chen SW-Film (ISO 3200) und aus­ge­ar­bei­tet auf 40 x 60cm gro­ßes Ba­ryt­pa­pier


Prä­sen­ta­ti­on

Wer Bil­der macht, Zeit und Auf­wand in die Her­stel­lung in­ves­tiert, möch­te die Er­geb­nis­se auch her­zei­gen. Die Prä­sen­ta­ti­on der ei­ge­nen Wer­ke führt meis­tens zum Dia­log mit Re­zi­pi­en­ten. Da­bei geht es nicht um die Ent­schul­di­gung der ei­ge­nen Bil­der. „Ei­gent­lich woll­te ich…leider et­was unterbelichtet…ist nicht ganz so rausgekommen…hätte man viel­leicht auch an­ders ma­chen kön­nen…“ – wenn das Bild nicht so ge­wor­den ist, wie ich das ur­sprüng­lich woll­te, zei­ge ich es nicht. Wenn es so ge­wor­den ist wie ich woll­te, gibt es kei­nen Grund, sich da­für zu ent­schul­di­gen.

PS:

Al­le oben ge­zeig­ten Bei­spiel­bil­der sind von mir und sie sind al­le Schwarz­weiß. Bis auf Ne­ben­schau­plät­ze wie Farb­kon­trast oder chro­ma­ti­sche Ab­erra­ti­on las­sen sich die meis­ten an­ge­spro­che­nen Punk­te bes­ser mit SW-Bil­dern il­lus­trie­ren. Die Re­duk­ti­on auf Grau­wer­te ist ei­ne will­kom­me­ne zu­sätz­li­che Abs­trak­ti­ons­ebe­ne. Oder um es mit ei­nem be­rühm­ten Na­mens­vet­ter zu sa­gen:

»Black and white are the co­lors of pho­to­gra­phy. To me they sym­bo­li­ze the al­ter­na­ti­ves of ho­pe and des­pair to which man­kind is fo­re­ver sub­jec­ted.« Ro­bert Frank

PPS:

Be­rufs­fo­to­gra­fen, Ge­stal­tungs­pro­fes­so­ren, Phy­si­ker und Frei­zeit­wis­sen­schaft­ler mö­gen mir die teil­wei­se et­was un­prä­zi­sen Er­läu­te­run­gen nach­se­hen – ich woll­te nicht wei­ter ab­schwei­fen und muss auch wie­der raus, fo­to­gra­fie­ren.

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