Meine zweite Fahrt für den Frankenkonvoi – Toms #19 – alles klar?
Wir brechen nach Oradea (deutsch: Großwardein, ungarisch: Nagyvárad, slowakisch: Veľký Varadín) in Rumänien auf. Es geht diesmal nicht um Flüchtlinge, sondern wir leisten mit der Fahrt logistische Unterstützung für Humanitas Charity, eine »befreundete« britische Hilfsorganisation und deren »Safe Homes« – Projekt.
Soll heißen, wir bringen dringend benötigte Hilfsgüter, Spenden und medizinische Ausrüstung nach Tinca, etwa 40 km südlich von Oradea. Dort versucht die Organisation, Kindern ein liebevolles Zuhause und eine kindgerechte Umgebung zu ermöglichen. Außerdem haben uns Ramiz und Sarah Wade (die Initiatoren von Humanitas) gebeten, Fotos von den Kindern und der Arbeit vor Ort zu machen.
In Oradea war ich zuletzt vor fast 10 Jahren. Seitdem hat sich Einiges getan und die Stadt bezeichnet sich nicht zu Unrecht als »Hauptstadt des Jugendstils«. Der begegnet einem freilich hier überwiegend in seiner ungarischen Ausprägung. Hier wird mit Verstand und wohl einigem finanziellen Aufwand behutsam saniert und gebaut.
Meine persönliche To-Do-List für Oradea: Besuch der Passage »Zum schwarzen Adler«, der neu renovierten Synagoge und des Biergartens »Zum Goldenen Fass«. Dazu kommt ein abendlicher Spaziergang durch die belebte Fußgängerzone, u.a. zum Eingang des Hotel Park, wo Almut und ich bei unserem letzten Aufenthalt in Oradea übernachteten. Das – und vieles andere – wird zwar gerade renoviert, aber Oradea ist trotzdem unbedingt eine Reise wert. Wer jetzt dringend genau dorthin reisen möchte, wende sich doch bitte an den Frankenkonvoi (am besten auf die Facebook-Seite schauen) und wir machen vorher das Auto voll mit Dingen, die in Tinca gebraucht werden.
Wir luden unseren Bus mit Hilfsgütern gleich nach der Ankunft in der Landgemeinde ca. 40 km südlich von Oradea (nahe der Grenze zum Kreis Arad) aus. Nachdem wir uns von der Fahrt (immerhin etwa 11 Stunden reine Fahrtzeit) erholt hatten und mithilfe der Spendengelder des Frankenkonvoi einen Einkauf in einem örtlichen französischen Supermarkt absolvierten, begannen wir tags darauf mit dem spannenden Teil dieser Reise. Der Versuch, die Kinder zu portraitieren, die Arbeit des »Safe Home«-Projekts zu dokumentieren und die damit verbundene Kontaktaufnahme zu den Kindern und Betreuern gehörten sicher zu den seltenen wirklichen Höhepunkten unseres Fotografenlebens. Jenes spielt sich leider allzu oft in einer bunten Scheinwelt ab, der ich glücklicherweise nach der Quelle-Pleite entrinnen konnte und aus der auch Tom sich durch den Frankenkonvoi zurückgezogen hat.
In den beiden Einfamilienhäusern in Tinca leben ständig 10 – 12 Kinder mit verschiedensten Einschränkungen, teilweise mehrfachen Behinderungen. Weitere 18 Kinder leben in der Umgebung bei Pflegefamilien. Viele Romakinder. Es tut gut zu sehen, wie zwei Briten und eine Handvoll Rumänen jenseits von sonst in der Gesellschaft Rumäniens (und natürlich nicht nur dort) verbreiteter Ressentiments mit den Teenagern umgehen. Deren Geschichten sind freilich z.T. derart unfassbar, daß man schnell auf den schlammigen Boden bestimmter Viertel rumänischer Ortschaften zurückgeholt wird. So erzählt Monica z.B. von der alkoholabhängigen Mutter, die, betrunken vermutlich während Zeugung, Schwangerschaft und Geburt von Diana, diese genauso nennt, wie die zuvor geborene ältere Schwester. Umso erstaunlicher, welche Fortschritte und Erfolge die Crew um Monica, Sarah und Ramiz erzielt.
Dianas Sprach- bzw. Sprechunterricht würde auch mir gut tun – das rumänische pâine (für Brot) ist schwer auszusprechen für den Durschnittsfranken. Manche der Kinder konnten tatsächlich etwa so wenig Rumänisch wie ich, als man sie fand. Es hat vermutlich nicht allzu lange gedauert, bis sie es besser konnten. So wie auch Viorel, der Junge mit dem Ronaldo-Shirt, der trotz Behinderung erstaunlich gut Fußball oder Tischtennis spielt und der in FC Barcelona-Bettwäsche schläft. Oder Florentina und Andrei, die immer lachen – nicht nur, wenn sie eine Kamera sehen.
Mein persönliches Highlight war, die Bekanntschaft von Cristina gemacht zu haben. Das Roma-Mädchen mit Autismus und etwas, das Helena, die Psychologin, »Dromomania« nennt, hat eigentlich Angst vor Männern mit Bärten, beginnt aber irgendwann nach meinen Haaren zu greifen und lächelt in die Kamera...
eine wunderschöne Fahrt auch dank meines tollen »Mitfahrers« und Freundes 😉 Es war wieder einmal bittersweet dem Projekt der Freunde unter die Arme zu greifen und ganz sicher erst der Anfang, einer langen »Beziehung«.
Herzlichen Dank, lieber Robert für alles. Deine Unterstützung, unsere Freundschaft und deine Arbeit bedeuten mir sehr viel